Eine Pause "zwischen den Jahren"? Eine Auszeit, ein Innehalten in der alltäglichen Betriebsamkeit?
Selbstständig Arbeitende werden es kennen – Pausen werden eher durch einen Auftragsmangel bestimmt, denn durch Feiertage. In der Regel ist man mit seinem Projekt beschäftigt, richtet seine Ruhephasen an dessen Aufgaben und Zumutungen aus und ist auch dann noch gedanklich befangen, wenn andere im Park die Picknickdecke ausbreiten oder Oma besuchen oder … oder … oder …
Und all das durchaus freiwillig, weil es Vergnügen bereitet, oder zumindest die Aussicht besteht, dass es das tun wird, irgendwann, in einer absehbaren Zukunft.
Tatsächlich waren in der Vergangenheit die Weihnachtsfeiertage derjenige Zeitpunkt im Jahr, an dem ich etwas Abstand nehmen konnte, ohne Reue Regressionswünschen nachgeben, denn niemand im produktiven Bereich arbeitete, niemand war am Telefon zu erreichen, wartete in einer Werkstatt oder auf Nachfragen – ausgeflogen, zurückgezogen alle, der Freund bei den Eltern, die Freundinnen in Urlaub und somit entstand ein wunderschöner Freiraum, den ich sehr geschätzt habe.
Es hat sich etwas verändert. Familienbesuche auch bei mir, und Romane können auch an Feiertagen geschrieben werden. Dennoch habe ich mir erlaubt, von einigem Abstand zu nehmen – das betraf auch die Sätze des Tages und vor allem die "Veröffentlichung" hier im Blog. Aber – nicht zu übersehen an den ersten Osterdekorationen in den Warenhäusern und Lebensmittelmärkten – die Weihnachtszeit ist vorüber und damit auch jede Ausrede hinfällig, die mich davon abhalten könnte, hier wieder ein paar Wortketten zu verlegen, die, wie ich meine, durchaus unterhaltsame Miniaturen sind, nicht ganz ohne Anspruch, nicht ganz ohne Ambition, aber mit der Möglichkeit, sich ein wenig auszuprobieren in den Leben anderer.
16.01.2018
Etwas lustlos durchblättert er den monatlich herausgegebenen Katalog – die letzten Ausgaben waren von enttäuschendem Inhalt gewesen – und lässt seinen Blick über die Angebote gleiten, die für ihn keine Bedeutung bereithalten, seine Sammlung nahezu vollständig, mit günstig Erworbenen und hart Umkämpften, und nichts lässt darauf schließen, dass er auf Seite 43 entdecken soll, was ihn von nun an so völlig beherrschen wird wie dieses eine Stück – der Abschluss, die Krone, das fehlende Puzzleteil, die Perfektion seiner Jahre: bereitgestellt und freigegeben, zu haben für den cleversten Händler, den besten Bieter, den passioniertesten Liebhaber – und nachdem sein Herzschlag sich beruhigt hat, muss er erkennen, dass der Poststreik mehr verursacht hat, als einige Tage mit einem leeren Briefkasten leben zu müssen.
18.01.2018
Irritiert blickt er sich in der Werkstatt um – nichts scheint mehr an seinem Platz, die Werkzeugregale nahezu leer, der sonst sorgsam geordnete Inhalt liegt verstreut auf Tischen oder auf dem Boden, der bedeckt ist mit Holzspänen und Sägemehl, dazwischen ein Eimer mit Holzleim, umgestoßen oder umgefallen und nicht aufgehoben – das zähflüssige Weiß hat sich bereits auf eine beträchtliche Größe in den Schmutz vorgearbeitet – und kein Geräusch ist zu hören, ein Stillleben mit nichts, das auf die Anwesenheit von Onkel Kurt schließen lässt, kein Poltern im Lager, kein Summen einer laufenden Bandsäge, kein plötzliches Aufschreien der Kreissäge, selbst das Radio – sonst stets das leise Hintergrundrauschen – ist stumm und er zögert, den Türgriff zum kleinen Pausenraum zu öffnen.
15.01.2018
Ein Teil meiner Verliebtheit war das perfekte Ensemble, das wir ergaben, das perfekte Bild, das darin aufschien von mir und meinem Leben; ob dies alles bereits in dem einen Kuss enthalten war, der den Bund besiegelte, erinnere ich heute nicht mehr, wohl aber das Gefühl von Euphorie, das alles umschloss, den Platz, die Zeit, die anderen und mich.
14.01.2018
Als Corinna ihren Geburtstag feierte, lag der Schnee etwa einen halben Meter hoch und ihr orangefarbener R4 kämpfte sich langsam über die Straßen, die fallenden Flocken löschten sogleich alle in den hellen Kristall gefahrenen Spuren und deckten zu, was an Hässlichem den kleinen Vorort zeichnete, die zerbrochenen Randsteine, die Sperrmüllhalden vor verlassen aussehenden niedrigen Häusern, die neuere, aber bereits verfallen erscheinende Nutzarchitektur und die Leere, wenige Kilometer nach den hohen Häuserfluchten und dem darin versammelten Gewimmel der Stadtmitte, dieser Gemengelage aus Gesichtern, Körpern und den Gerüchen unspezifischer Geschäftigkeit – das satte Weiß auf dem Boden und in der Luft versöhnte die Behausungszumutungen mit den charmanteren Ausläufern von Urbanität, den angrenzenden Feldern von Obstbäumen und Weinstöcken, und sie summte den Song mit, den der Lautsprecher des Autoradios etwas blechern durch die kalte Luft schickte, bevor sie den Wagen am Straßenrand und dann den Motor abstellte, den Kragen hochschlug, sich aufmachte ins Weiß und bald im dichten Flockenfall aus dem Blick ihrer Freunde verschwand, die irritiert im Fonds des Wagens zurückblieben, rufend, aber unentschlossen, ob ihr zu folgen sei.
08.01.2018
er lebte einfach in der falschen zeit - in der renaissance hätte er mit seinen fähigkeiten brillieren können, mit seiner kunst, schnell wichtiges von unwichtigem zu trennen, materialien und methoden wirkungsvoll einzusetzen in ganz unterschiedlichen bereichen, mit seiner vorstellungskraft, seinem antizipationsvermögen, mit seinem handwerklichen geschick und seinem darstellerischen talent, all das hätte ihm zu ruhm und ehre gereichen können, zu anerkennung und respekt,
während es nun, im zeitalter fortgeschrittener spezialisierung und ausgeprägter inselbegabungen ihn trennte von der spitze, vom maximal erreichbaren, einfach, weil er nicht alleine für eines brannte, nicht ausschließlich eines verfolgte, sondern statt dessen verstehen wollte – alles: ein offensichtlich nicht selbstoptimierendes beharren, das ihn zurückhaltend und vorsichtig werden ließ und statt fokussierung bestimmte einsicht sein tun und warf ihn hinter diejenigen zurück, die seinen blick nur auf eines richten wollten oder konnten.
07.01.2018
Sie sieht sich um nach ihm, dem alten Mann, mit gebücktem Rücken hinter einem Rollator gehend, sorgsam, langsam, Schritt vor Schritt setzend, stets zur gleichen Zeit wie sie unterwegs, früh, mit den ersten Büromenschen, obwohl auf ihn doch sicherlich kein Termin mehr wartet, blickt über die Kreuzung auf die andere Straßenseite, vielleicht etwas verspätet heute, vielleicht wie gestern, aber sie ahnt, dass etwas geschehen sein könnte mit ihm, etwas, das seine Routine, die ihm wichtig scheint, unterbrochen hat, und sie hofft, es sei der Besuch einer guten Freundin, die alles durcheinanderbringt und nicht der Unfall, der sich hier zugetragen haben soll, gerade am Überweg, bei dem ein Mann mit seinem Wagen einen anderen einfach umgefahren haben soll.
06.01.2018
mir bleiben nur noch tage und ich fühle mich hilflos, überfordert und verlassen – nichts von alledem hatten sie mir vorhergesagt, hatten statt dessen von ruhe gesprochen, einer inneren stille und einer versöhnung, worte, die offensichtlich eher der eigenen entlastung dienen sollten und eine ausflucht waren vor dem, was auch sie erreichen wird – nur eben später, ungerechterweise sehr viel später – und mir enteilt die zeit, während sie sich im nichts dehnt, so knapp bemessen, so wenig von dem, was noch sein könnte, sie will ausgekostet sein und bleibt doch angefüllt mit aufbegehren und wut und ungenießbar.