Im Internet publizieren diejenigen Autorinnen und Autoren, die keinen Verlag gefunden haben. Ja. Auch. Warum auch nicht? Es
schreiben aber auch Menschen, die keinen Verlag suchen. Wie ich. Jedenfalls nicht zurzeit.
Ich möchte zunächst und zuallererst schreiben. Ich möchte auch veröffentlichen. Das bereitet mir – solange ich das alles selbst in
der Hand habe – Vergnügen. Sehr sogar. Ich genieße meine Produktivität und mag, was entsteht. (Ein Blogbeitrag über "Zweifel" folgt sicherlich in Kürze) Entstanden sind zahlreiche
Kurzgeschichten, Erzählungen, ein fertiger Roman, ein begonnener Roman und ein weiteres Projekt, das vielleicht einmal einer wird. Auch einiges an Lyrik.
Doch aus meiner bisherigen Laufbahn als bildende Künstlerin kenne ich die negative Macht der Zwänge, die in manchen Verabredungen
stecken kann. In der bildenden Kunst habe mich auf ortsspezifische Rauminstallationen mit bewegtem Licht spezialisiert. Jede Arbeit entsteht auf genau einen Ort hin konzipiert, der Kontext
bestimmt die künstlerische Ausformung. Ich verfüge über Basiswissen in Holzbearbeitung, Klebetechniken, Elektronik und Programmierung und in vielem anderen mehr, aber die Komplexität meiner
Projekte verlangt nach den Kenntnissen von Fachleuten. Kein Projekt ist ohne zahlreiche Anfragen, Absprachen, Auftragsspezifikation – kurz: ohne umfangreiche Kommunikation und Verhandlungen mit
einem Außen.
Zuständigkeiten für Räume (öffentlich wie privat) müssen geklärt, Finanzierungsmodelle abgesprochen und Mitarbeiter für Auf- und
Abbau gefunden und eingewiesen werden. Diese organisatorischen Arbeiten nehmen den Großteil der Zeit eines Projektes in Anspruch und gehören nicht zu dem, was ich besonders beglückend finde.
Künstlerisch zu arbeiten wurde über die Jahre zu einem Balanceakt zwischen dem, worin ich genuin glücklich war – dem Entwickeln von künstlerischen Ideen – und dem, was nur mit viel
Disziplinierung gelang. Kunst braucht das Anarchische, Spielerische, Assoziative und Organisation das Regulative, Analytische, Strikte. Der Wechsel in den zweiten Modus wurde für mich zunehmend
anstrengend. Lag am Anfang meiner Tätigkeit noch Freude in der Herausforderung, etwas genau umzusetzen, so wurde die Umsetzung mehr und mehr zu Routine, die ich nicht mehr positiv besetzen
konnte.
Natürlich erlebt man als Künstlerin auch schöne Momente im Gespräch mit Galeristen, Museumsleitern, Kulturamtsleitern und vor
allem mit den Besuchern einer Arbeit, dem Publikum. Aber dem stehen die Frustration, der Sublimierungsaufwand und die Mühen von Steuererklärungen, Finanzierungsplänen und Produktionsplanungen
gegenüber.
Nach dem Abschluss eines Projekts beginnt zudem nicht etwa die aufregende Suche nach einer neuen künstlerischen Aufgabe. Es muss,
in meinem Fall der temporären Installationen unumgänglich, eine Archivierungsform gefunden und realisiert werden. Fotodokumentationen werden beauftragt, ebenso Videoaufnahmen, Kataloge gedruckt,
Websites mit Repräsentationen der letzten Arbeiten gefüllt – Aufgaben, die kaum eine Herausforderung an originär künstlerische Kreativität stellen und bestenfalls den kreativen Umgang mit zu
geringen Mitteln erwarten. Zudem ist es mir wie ein Blick zurück, zu einem Zeitpunkt, an dem ich innerlich die Idee dieser Arbeit schon verlassen habe, aber noch nicht an dem Punkt angelangt bin,
an dem ich retrospekt genießen kann, was ich als Kunstwerk öffentlich gemacht habe.
Zunehmend wurde mir das Korsett, in das ich mich begeben hatte, zu eng. Am Ende eines recht lange dauernden und spät einsetzenden
Erkenntnisprozesses stand für mich, dass ich jedes kreative Schaffen einstellen wollte. Bis ich mir sicher war, wieder genügend von dem eingangs meiner Künstlerinnenlaufbahn vorhandenem
Enthusiasmus wiedergefunden zu haben. Bis ich wieder Vergnügen finden würde an dem, worin ich gut war: Klasse Installationen zu entwerfen. Ich war auch gut im exakten Umsetzen, aber ohne Freude
daran. Während das eine von mir mit Begeisterung geleistet wurde, war das andere wie ein Schwamm, der jede Freude aufsog. Und mich austrocknete. Zu wenig Intrinsik gegenüber zu vielen Ansprüchen
von außen.
Womit ich bei meiner Auszeit nicht gerechnet habe, ist, dass ich mich in einen anderen Bereich der Kunst bewegen würde. Aus der
bildenden Kunst heraus in die Literatur. (Obligat: Ich habe bereits mit xx Jahren meinen ersten Roman verfasst, in der Schülerzeitschrift mitgewirkt, schon immer geschrieben etc.) Und nun dort
das Vergnügen am Tun finde, das ich zuvor so schmerzlich vermisste.
Ich schätze das örtlich Ungebundene am Schreiben. Anders als die bildende Kunst, die den Ort braucht und nur in Abstimmung mit dem
Kontext ihre ganze Wirkung zeigen kann, ist Literatur etwas, das auch ohne realen, sozusagen nur im virtuellen Raum des Denkens auskommen kann und dort ihren Kontext findet.
Diese Freude möchte ich mir bewahren, möchte mein Schreiben in kein Korsett der Ansprüche packen, die ich nicht selbst für mich
gewählt habe. Und daher suche ich vielleicht Leser, aber eben nicht aktiv einen Verlag. Ich möchte über der Suche nichts verlieren, von dem, was mich jetzt antreibt: ein Glücksgefühl im
Schreiben, das in der Summe über dem Frust der Korrektur und den Mühen des Arbeitens an einem Text liegt.
Wie geht ihr mit den Anforderungen des Lebens um? Habt ihr eine gute Balance finden
können? Hier gibt es eine Kommentarfunktion – ich verstehe sie als Einladung zum Dialog.
Kommentar schreiben